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marcelcampana

Die Frage von Michi an Seraina Bauert: "Was für Kriterien hast du bei der Bonsaiwahl?"

Michi fragt mich, was für Kriterien ich bei der Bonsaiwahl befolge. Gute Frage!?! Habe ich überhaupt Kriterien, die ich heranziehe, befolge oder die meine Auswahl gerechtfertigen? Oh ja, etliche, die ich mir jedoch je nach Baum so zurechtlege, dass er meiner Wahl zu 100% entsprechen kann

Hier ein paar Beispiele:


Kriterium "Steht bei mir nur rum, muss was daraus machen"


Mein roter Ahorn begleitete mich damals vor 18 Jahren von GR nach ZH und hat sich wahrscheinlich die letzten Jahre recht verschupft gefühlt. Als ich mich dann vor ein paar Jahren für einen Bonsai-Privatkurs bei Wolfgang Hahner entschied, war dieses Bäumchen natürlich die Nummer 1 für mich (hatte auch nichts anderes zu gestalten, dass überhaupt annähernd Potential hatte). Er sieht immernoch recht schepps aus, hat mir Wolfgang damals schon angedeutet, aber im Auge des Betrachters resp. in meinen Augen wird er in 20 Jahren fantastisch aussehe.


Kriterium "Hab ich gesehen, find ich toll, muss ich haben"


Meine Esche gehört wohl zu diesem Entscheid. Die Grösse und der Stamm mit seinen Narben hat es mir damals angetan, weshalb die Esche nun bei mir steht. Jeden Frühling bin ich gespannt, ob sich die schwarzen Knopsen endlich mal öffnen, da sie wirklich zu den letzten gehört, die den Frühling in den Knochen spührt. Leider ist sie recht anfällig auf Läuse, aber was soll's, sie gehört jetzt zu mir und wird es auch bleiben.


Kriterium "Je hässlicher desto begehrter"


Hässlich vielleicht nicht, aber sicher ein verschupftes Kind war die Natalpflaume, als ich sie unter den Pflanzentischen in einer Gärtnerei hier um die Ecke entdeckt habe. Die Schale sah nach Bonsai aus, der Strauch nicht. Aber das kann ja noch werden. Die Schale war dann bald auch nicht mehr der Hit: schmal und hoch reichte ein laues Lüftchen und sie stürzten gemeinsam ins Unglück. Deshalb hat die Natalpalme letztes Jahr eine selbstgemachte Schale erhalten (Rolf Hitz sei Dank) und dieses Jahr wird mit dem steten Training zum Bonsai begonnen. Die Form muss ich noch suchen, aber sie treibt schön brav aus dem Altholz heraus und kann somit "alles" werden. :-)


Kriterium "Ist auf irgend eine Weise besonders, darauf stehe ich"


Ich bin mal wieder im Gartencenter in Winterthur und seh was: eine Bänderrosskastanie! Oh wie speziell, das muss nach Hause! Ein paar Wochen später stand ich nochmals da und hab eine 2. gekauft, bei der mir das Potential zur Kaskade regelrecht ins Auge sprang. Gekauft, gekehrt und zu meiner Überraschung hätte der Stammansatz und der Wurzelballen keine bessere Form für eine Kaskade haben können. Schlussendlich ist mir die erste Bänderkastanie diesen Winter eingegangen, wahrscheinlich hatte sie schon letzten Herbst grössere Schwierigkeiten. Gott sei Dank hab ich ja noch eine

Meine up-side-down-Rosskastanie gedeiht herrlich, da wird sie sicher bald eine selbstgemachte Schale erhalten.


Kriterium "Muss ich ausprobieren, wird doch nicht so schwer sein"

Unbedingt wollte ich mich an Totholz heranwagen und hab einen Wachholderkurs besucht. Eigentlich war Jin oder Shari da nicht das Thema, aber ich hab wohl nicht locker gelassen und ta-taaa, mein kleiner Wachholder hat bereits einen schönen Narbenschluss erhalten… und muss wieder mal zum Frisör:-)






















Kriterium "Würde super zu irgendwas passen, deshalb"

Mein Garten hat überall Nischen und Ecken, die einem Thema

folgen. Und da gibt es ein Schiefer-Beet mit Grässer und Wurzeln, die förmlich nach einem passenden Bonsai schrien (hab wohl nur ich gehört). Die Föhre hab ich per Zufall online gefunden und sofort gecheckt: die passt zu meinen Wurzeln:-) Was meint ihr, passt perfekt, oder?












Kriterium "Lila geht sowieso immer"


Alles was lila, violett oder pink ist, find ich per se perfekt. Deshalb konnte die Glizinie auch fast nicht nein sagen, als ich Wolfgang 'frugte', ob sie mit mir gehen darf. Meine Glizinie ist eine, auf die ich immer achten muss. Bereits 2x habe ich es geschafft, dass sie im Frühling keine Dolden trieb und viel zu früh in den Winterschlag gehen wollte. Frost oder zu wenig Wasser… irgendwas ist immer. Deshalb treib ich sie nun ab Februar im Wintergarten aus, mit Erfolg, damit ich die Lila-Pracht auch wirklich geniessen kann.


Und dann noch mein ultimatives Kriterium – geht nicht – gibt’s nicht.


Ein Jamadori wär doch toll! Ja dann drauflos… Meine Sachen gepackt, alleine in die Ferienwohnung gegangen und dem Förster verklickert, dass ich eine Lärche für meinen Garten suchen möchte. Sei kein Problem, es hat ja genug im Wald. Hund und Gartenkralle gepackt, Wanderschuhe an und auf in die Wildernis. Es wurde jedoch schon recht schnell klar, dass ich da keinen Riesenjamadori aus der Erde bringe, wenn die Wurzeln so verdammt tief gehen, grrr. Gefrustet auf dem Heimweg bin ich dann regelrecht über eine Lärche gestolpert, die schon fast von selbst aus dem Erdreich kroch: Der Gemsweg und die Lawinen haben sie wohl derart gestört, dass der grösste Teil schon frei lag.

Aber es war trotzdem ein Krampf und zuhause angekommen bin ich mit einem riesen Hungerast – mein Gott, war das ein Abenteuer. Sie ist mir nur schon wegen den Strapazen ans Herz gewachsen und ich bin mega stolz auf meinen mikrigen Jamadori.


Das sind die Kriterien, die wahrscheinlich in keinem Bonsai-Buch stehen, aber mich ständig verfolgen und jederzeit einholen können.


Und deshalb geht die nächste Frage an Claudia Ramseier:

Welche Wuchsformen finden sich in deiner Bonsai-Kollektion wieder? Vergleiche natürliche Erscheinungsformen mit deinen Bonsais.

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